Mit einem stets wachsamen Auge beobachten wir unsere Kinder auf dem Spielplatz, während des Fußballspiels, beim Toben mit den Geschwistern und auf dem 80. Geburtstag von Oma Ulla. Oft mit einem Lächeln auf den Lippen und stolz wie Bolle, dass unser Kind einfach unser Kind ist. Doch manchmal fällt uns auf, dass unser Kind vielleicht mit einem geringen Selbstwertgefühl zu kämpfen hat. Geringes Selbstwertgefühl bei Kindern kann sich in vielen Verhaltensweisen äußern, die Eltern unbedingt frühzeitig erkennen sollten, um ihren Kindern zu helfen, sich besser zu fühlen.
Kommt dir dieses Verhalten deines Kindes vielleicht bekannt vor?
- Dein Kind schaut in den Spiegel und mag sich selbst nicht leiden?
- Macht es einen Bogen um alles Neue?
- Verlässt dein Kind oft der Mut und es traut sich nicht, auf andere zuzugehen?
- Konkurriert dein Kind stets mit seinem Umfeld?
- Ausrasten wegen Nichtigkeiten gehört zum täglichen Programm?
- Die Schule ist ein Ort der Furcht?
- Scheint dein Kind süchtig nach Lob und Anerkennung zu sein?
Falls dir diese Verhaltensweisen bekannt vorkommen, ist dies sicher nicht das Ergebnis einer versäumten Lektion in der Erziehung. Die Ursachen für ein geringes Selbstwertgefühl bei Kindern können vielfältig sein. Wichtig ist, dass wir die Signale frühzeitig erkennen und den Kopf nicht in den Sand stecken!
Darauf sollten Eltern besonders achten:
1. Abwertende Selbstäußerungen
Der Wunsch vom eigenen Kind ist wahr geworden und an diesem Tag zog auch die Erwartungshaltung mit ins Haus. Wenn es doch nur unsere Eigene wäre. Nachbarn, Großeltern, Bekannte und Freunde – Alle pflegen eine individuelle Vorstellung vom „perfekten Kind“ und übertragen diesen Druck unbewusst direkt auf unseren Sprössling.
An diesen individuellen Maßstäben wird das Verhalten unseres Kindes in verschiedensten Momenten bewertet.
Kinder merken, wie Erwachsene ihnen gegenüber eingestellt sind. Ist die geschriebene 2 in Mathe ausreichend oder hätte sich Opa über eine sehr gute Leistung noch mehr gefreut?
Es ist das typische „Gefallen-Wollen“. Die Meinung nahestehender Bezugspersonen gilt als das Nonplusultra und daran bemessen Kinder häufig auch ihren eigenen Wert. Geringes Selbstwertgefühl bei Kindern zeigt sich häufig darin, dass sie sich mit Sätzen wie „Mich mag eh keiner“ abwerten.
Was du jetzt tun kannst:
- Spricht dein Kind abwertend über sich selbst, solltest du einfühlsam nachfragen: Warum siehst du das so?
- Zähle mit deinem Kind seine engsten Freunde und Familienmitglieder auf und zeige ihm, vom wem es alles gemocht wird.
2. Schüchternheit und Unsicherheit in Gruppen
Soziale Kompetenz – ein Wort, das bereits ab der 1. Klasse auf Schulzeugnissen auftaucht und auch im Zusammenhang mit Kindeserziehung häufig genannt wird. Im Grunde genommen geht es dabei um die Bewertung meines Kindes im gesellschaftlichen Umfeld.
Der geschickte Umgang mit sozialen Interaktionen ist jedoch keinesfalls eine angeborene Charaktereigenschaft. Vielmehr beschreibt Sozialkompetenz ein Zusammenspiel aus konkreten Fähigkeiten, die sich erst im Laufe der Entwicklung, basierend auf gesammelten Erfahrungen, formen.
Wird davon gesprochen, dass ein Kind wohl erzogen und artig ist, taucht in unseren Köpfen das Bild eines Kindes auf, das sein Spielzeug teilt, artig “bitte” und “danke” sagt und auf seine Geschwister Acht gibt. Doch geringes Selbstwertgefühl bei Kindern äußert sich häufig in Schüchternheit und Unsicherheit, wenn sie sich in Gruppen bewegen. Sozialkompetenz ist allerdings so viel mehr als nur „nett“ zu anderen Kindern zu sein. Sie meint vordergründig die Fähigkeit, sich angemessen in einer Gesellschaft bewegen zu können und diese ermöglicht es ihm auch, gesunde Beziehungen zu seinen Mitmenschen aufzubauen. Bemerken wir, dass unser Schützling bereits Bauchschmerzen hat, wenn er die nächste Einladung zum Kindergeburtstag mit nach Hause bringt, sollten wir versuchen, das Wohlbefinden unseres Kindes im Gruppengefüge zu stärken.
Was du jetzt tun kannst:
- Organisiere positive Begegnungen mit Gleichaltrigen. Das können Spielverabredungen, Spielplatzbesuche oder die Teilnahme in Sportvereinen sein. Gemeinsame Interessen und Talente verbinden.
- Lebe deinem Kind soziale Kompetenzen wie Höflichkeit, Respekt und Ehrlichkeit vor. Als Elternteil fungierst du als Vorbild und kannst deinem Kind im Alltag diese Werte ganz beiläufig vermitteln.
3. Sozialer Rückzug: „Ich schaff‘ das nicht“
400 Meter Dauerlauf steht heute auf dem Lehrplan. Die Farbe weicht bereits vor Schulbeginn aus dem Gesicht, mein Kind schiebt das Müsli von rechts nach links in der bunten Frühstückschale und die Sporttasche ist auch noch nicht gepackt.
Schon am Esstisch wird schnell klar, dass es viel mehr als nur eine Sporteinheit für mein Kind ist. Die Angst vor dem Scheitern oder vor Bloßstellung kann ein Zeichen für ein geringes Selbstwertgefühl sein. Kinder mit geringem Selbstwertgefühl trauen sich weniger zu und meiden neue Herausforderungen.
Sammeln Kinder mehrfach negative Erfahrungen in Situationen, in denen sie Leistungen erbringen müssen und diese nicht entsprechend gewürdigt oder sogar belächelt wurden, entwickelt sich mit der Zeit eine gewisse Versagensangst. Die Konsequenz: Unser Kind traut sich weniger zu und wagt sich an keine neuen Herausforderungen mehr ran.
Was du jetzt tun kannst:
- Reflektiere mit deinem Kind vergangene Erfolgserlebnisse und lobe es für seine erbrachten Leistungen.
- Erarbeitet gemeinsam die Stärken und Talente deines Schützlings heraus und fokussiere ihn darauf.
4. Ständiger Vergleich mit anderen Kindern
Ein gewisses Vergleichsdenken liegt in der Natur des Menschen und ist auch noch im Erwachsenenalter ein großes Thema. Sich mit Gleichaltrigen in einer ähnlichen Lebenssituation zu vergleichen ist erstmal nicht weiter besorgniserregend. Bedenklich wird es erst, wenn unsere Kleinsten sich stets andere Kinder als Maßstab nehmen und ihnen versuchen nachzueifern. Geringes Selbstwertgefühl bei Kindern äußert sich oft darin, dass sie sich anderen Kindern unterlegen fühlen und immer den anderen nachstreben. Ein gewisser Anreiz kann zwar den Ehrgeiz fördern, der Grad ist allerdings schmal. Läuft der beste Freund in jedem Rennen als erster durch die Ziellinie, kann aus einem Anreiz auch schnell Neid entstehen. Erfahrungsgemäß geht dieser immer auch mit Selbstzweifeln einher. Warum bin ich immer langsamer? Was kann ich überhaupt?
Was du jetzt tun kannst:
- Finde heraus, welche Situationen dein Kind im sozialen Umfeld besonders triggern.
- Erkläre deinem Kind, dass es normal ist, unterschiedliche Stärken und Schwächen zu haben.
- Zeige auf, worin dein Kind besonders gut ist und worauf es stolz sein kann.
5. Geh weg!
Gestern war der gelbe Fruchtzwerg noch der absolute Favorit, heute wird er nicht mehr angerührt. Hinzu kommt, dass der Pulli kratzt, die Nudeln nicht so schmecken wie sonst und die Schlafenszeit zu früh angesetzt wurde. Wenn wir denken, dass wir ein harmonisches Familienleben führen, kommt unser Sprössling mit unerwarteten Dramen um die Ecke, die ihn von 0 auf 100 in die Luft gehen lassen. Oft fällt es Eltern in diesen Situationen dann schwer, bei Nichtigkeiten die nötige Empathie aufzubringen, um diesen Gefühlsausbruch liebevoll zu begleiten. Die Lage verschärft sich noch, wenn es nicht der erste Ausraster am Tag ist und ein Drama dem nächsten folgt.
Wichtig zu verstehen ist, dass Kinder uns mit ihren Wutanfällen nicht provozieren oder erpressen wollen.
Sie werden vielmehr von ihren eigenen Gefühlen übermannt und leiden selbst darunter. Die ständigen Ausraster spiegeln die innere Unruhe und Unsicherheit wider, die zum täglichen Begleiter unserer Kleinsten geworden sind. Wutausbrüche sind häufig ein Ausdruck von Hilflosigkeit, Unzufriedenheit und Überforderung mit sich selbst.
Was du jetzt tun kannst:
- Geduld ist das A und O: Höre deinem Kind aufmerksam zu und gib ihm nicht das Gefühl, dass es übertreibt. Es empfindet in diesem Moment so und möchte verstanden werden.
- Statt zu schimpfen und ein korrektes Verhalten zu erzwingen, sollten wir mit unserem Kind gemeinsam an einer Problemlösung arbeiten und versuchen, weiteren Dramasituationen vorzubeugen.
6. Schule? Muss das sein?
Jeden Morgen ist es ein Kampf mit dem Gewissen, wenn wir hinter unserem Kind die Haustür schließen: schwer bepackt mit einem Schulranzen und einer ordentlichen Portion Unmut. Wie gerne würden wir unserem Schützling die Last von den Schultern nehmen oder gar selbst die Schulbank in Vertretung drücken.
Wenn die Schule zum Ort der Furcht wird, kann das auf ein geringes Selbstwertgefühl bei Kindern hinweisen. Die Gründe für das hohe Stresslevel können vielfältig sein: Mobbing, Leistungsdruck, soziale Konstellationen.
Im Zusammenspiel mit einem mangelnden Selbstbewusstsein kann der Gang zur Schule ein echtes Horrorszenario für unsere Kinder werden.
Was du jetzt tun kannst:
- Erfrage, woher die negativen Assoziationen in Hinblick auf die Schule kommen. Sind es einzelne Kinder, die mein Kind ausschließen? Fühlt es sich im Unterricht nicht wohl? Hat es Angst, vor der Klasse laut zu sprechen?
- Sorge dafür, dass dein Kind den Anschluss nicht verliert. Unterstütze bei Hausaufgaben, wenn es danach fragt.
- Tritt in Kontakt mit den zuständigen Lehrkräften und brainstormt, wie das Klassenklima optimiert werden kann.
7. Schnelles Aufgeben und eine niedrige Frustrationsgrenze
Für Kinder, die mit einem geringen Selbstwertgefühl zu kämpfen haben und on top von anderen für ihr Verhalten getadelt wurden, ist es unglaublich schmerzhaft, sich die Schuld für einen Misserfolg einzugestehen. Jede Enttäuschung belastet das Selbstwertkonto unserer Kinder. Anerkennung und Wertschätzung gehört zu einer der wichtigsten Elixiere, die uns antreiben. Kommen diese zu kurz, schlägt sich das auf die allgemeine Verfassung unserer Kinder nieder.
Was du jetzt tun kannst:
- Gib deinem Kind die Sicherheit, dass Fehler normal sind und es dadurch sogar wachsen kann.
- Erzähle deinem Kind eine Geschichte aus deinem Leben: Wie bist du mit einem Misserfolg umgegangen?
8. Die Sucht nach Anerkennung und Zuwendung
Nach Anerkennung streben wir bis ins Erwachsenenalter. Sei es im Job, im Sportverein oder auch vom Partner. Auch unsere Kinder kennen dieses Gefühl und handeln stets aus dem Wunsch heraus, geliebt und geschätzt zu werden. Es hat Angst vor Ablehnung, sollte es nicht den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen.
Schnell können Kinder in die Schiene rutschen, ihren Wert über die Meinung der Personen in ihrem Umfeld zu definieren. Was haltet ihr von mir? Bin ich gut genug? Mache ich euch stolz? Lernen Kinder, dass sie nur bei der Erbringung von Leistung liebevolle Aufmerksamkeit erhalten, fühlen sie sich wertlos, wenn sie einfach nur da sind. Die Konsequenz ist, dass sie übermäßig nach Anerkennung und Zuwendung streben, um sich wertvoll zu fühlen und ein positives Selbstbild herzustellen. Gesund ist das allerdings keinesfalls.
Was du jetzt tun kannst:
- Schenke deinem Kind auch unabhängig von erbrachter Leistung bedingungslose Liebe durch Wort und Tat.
- Schaffe deinem Kind einen „Safe Space“. Stärkst du die Verbindung zu deinem Schützling und gestaltest ihm einen Raum, in dem er sich sicher fühlt, geht dein Kind mit der Zeit davon aus, dass deine Liebe und Zuwendung bedingungslos und fehlerunabhängig sind.
9. Andere Kinder sind „besser“ oder „beliebter“?
Der schlichte Vergleich und Neid liegen dicht beieinander. Während ersteres eine normale Begleiterscheinung in einem Gruppengefüge darstellt, ist das Beneiden anderer Kinder um ihren Stellenwert ungesund für die Entwicklung unseres Kindes und dessen Selbstbewusstsein. Besonders in Geschwisterkonstellationen wird aus allem ein Wettbewerb unter den Kindern gemacht. Wer ist schneller im Auto? Wer kassiert die erste Ermahnung von Mama? Und wer ist das Lieblingskind? Gleichberechtigung gegenüber allen Kindern zu schaffen fällt uns nicht immer leicht, ist aber enorm wichtig, um unseren Kindern nicht das Gefühl zu geben, weniger geschätzt zu werden und ihre Selbstakzeptanz wohlmöglich noch ins Wanken zu bringen.
Was du jetzt tun kannst:
- Zeige deinem Kind, wie einzigartig es ist und betone seine individuellen Stärken.
- Verdeutliche, dass der Wert eines Menschen nicht mit seiner Leistung, seinem Aussehen oder dem Beliebtheitsgrad zusammenhängt.
Wachsam die Entwicklung unserer Kinder zu beobachten und die genannten Alarmsignale frühzeitig zu erkennen, gibt uns als Eltern eine reelle Chance, positiven Einfluss auf das Selbstbewusstsein unserer Kinder zu nehmen und an den nötigen Stellschrauben zu drehen, um ihnen eine glückliche Kindheit zu ermöglichen!